Die Kunst des Kleinen
Miniaturen widersprechen unseren Sehgewohnheiten. Wir sind durch die Kunst der Moderne und schnelle Filmschnitte geprägt. Hier aber gibt es keine Flächen und Farben, nur der genaue, verweilende Blick erschließt die Exponate.
Bereits in der Renaissance, in der sich die Vorliebe für die kleine Form und handwerkliche Kunstfertigkeit in den fürstlichen Wunderkammern manifestierte, wurde die Virtuosität der Oberammergauer Schnitzer bewundert. Das belegt das folgende Zitat des bekannten Humanisten und Reformators Andreas Althammer:
„Ammergau hat erfinderische und sehr arbeitsame Leute, besonders solche, welche die überaus große Fähigkeit besitzen, kleine Bilder zu schnitzen, so dass sie sogar die Leidensgeschichte des Herrn in einer Nußschale so kunstgerecht darstellen, wie Du es in Deutschland und ganz Europa kaum finden wirst.“
In dieser Ausstellung werden Miniaturschnitzereien aus dem 19. und 20. Jahrhundert gezeigt. Sie befassen sich thematisch mit völlig unterschiedlichen Themen und bilden dadurch auch ein breites Spektrum der Oberammergauer Schnitzerei und Bildhauerei ab.
Ausgehend von der Spielzeug-und Krippenschnitzerei gab es in Oberammergau immer meisterhafte Tierschnitzer. Das 19. Jahrhundert vertritt hier vor allem Anton Schauer (1850 – 1920), der ein hervorragender und sehr bekannter Tierschnitzer war und zeitweise auch in München gearbeitet hat. Auch Guido Postinger (1900 - 1985) war ein Meister der Tierplastik, seine Tiere tragen allerdings zum Teil sehr menschliche Züge - und sie verbreiten Fröhlichkeit.
Die Feinschnitzerei ist tatsächlich ein ideales Medium für Karikaturen, wie Herbert Kochs (1933 – 2002) oder Erwin Otts (*1944) Szenerien zeigen. Eine Schachtel mit hunderten feingliedrigen 2 cm großen Miniaturkorpussen, verweist auf die sakrale Miniaturschnitzerei. Laura Lang (1902 – 1987) war Herrgottschnitzerin und auf die ausgestellten Miniaturen spezialisiert, sie schnitzte ihr ganzes Leben Christuskorpusse in zwei Miniaturformaten. Christian Wittmanns (1898-1985) buntgefasste anmutige Miniaturmadonnen und Engel aus den 1920er Jahren stellen den Versuch dar, die Oberammergauer traditionelle Volkskunst mit eigenständigen Neuinterpretationen wiederzubeleben. Ein wahrlich virtuoses Kabinettstück ist die Skulptur „Herrgott wundert sich über das eigene Missgeschick“ (2004) von Josef Fux (*1938), der in den 1990er Jahren u.a. für Jeff Koons gearbeitet hat. Der von einem Adam und Eva Paar getragene Granatapfel, auf dem der zweifelnde Gottvater sitzt, beinhaltet die gesamte Lebensgeschichte Jesu.
Was die weit über 100 ausgestellten Exponate verbindet, ist das große Können des Oberammergauer Schnitzers. Dies lässt sich nur erkennen, wenn man genau hinsieht.
Um den Blick zu schärfen, gibt es ein Suchspiel. Stark vergrößerte Fotografien zeigen Ausschnitte der ausgestellten Miniaturen. - Schärfen Sie Ihren Blick und entdecken Sie die Details! Kinder erhalten eine kleine Belohnung, wenn Sie den Ausschnitten auf den Fotos die richtige Vitrinennummer zuordnen. Viel Spaß beim Entdecken!